Jáchymov. Roman by Josef Haslinger

Jáchymov. Roman by Josef Haslinger

Autor:Josef Haslinger [Haslinger, Josef]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104013855
Herausgeber: Fischer e-books
veröffentlicht: 2015-07-29T16:00:00+00:00


Nach den Olympischen Spielen, so schrieb die Tänzerin, hatte meinen Vater ein Vertrag aus Kanada erreicht. Der war von Sandy Watson initiiert und meinem Vater über die Kanadische Botschaft zugestellt worden. Man wollte auch die Reise für die ganze Familie zahlen. Der Vertrag sah ein ein- bis zweijähriges Engagement meines Vaters als Profitormann in Kanada vor, mit der Möglichkeit, nebenbei in einem Architekturbüro zu arbeiten. Beides interessierte ihn. Er war zweiunddreißig Jahre alt. Wollte er die Profiluft der National Hockey League kennen lernen, dann musste er jetzt gehen, da konnte er sich keinen Aufschub mehr leisten, wie damals nach der Weltmeisterschaft 1939 in der Schweiz, als er schon einmal ein Angebot bekommen hatte. Er war nach der Verstaatlichung der Ziegelfabrik mit seiner beruflichen Situation unzufrieden und wollte wieder als Architekt arbeiten. Auch dafür schien ihm der Aufenthalt in Kanada der ideale Wiedereinstieg zu sein.

Meine Eltern sprachen damals von zwei Jahren. Ich glaube, mein Vater hatte auch wirklich vor, wieder zurückzukommen. Er hat seine Heimat geliebt, vor allem Prag. Und er hat sich dem Staat gegenüber stets respektvoll verhalten. Wenn die tschechische Hymne gespielt wurde, wollte er immer, dass ich aufstehe. Seine große Enttäuschung kam erst später. Dennoch bin ich mir ziemlich sicher, wir wären aus Kanada nicht mehr zurückgekommen.

Mein Vater ging seine Reisepläne auf höchster Ebene an. Der Informationsminister Václav Kopecký empfing gerne Sportler und ließ sich mit ihnen ablichten. So auch anlässlich der bevorstehenden Eishockey-Weltmeisterschaft in Stockholm. Mein Vater und der Minister kannten sich von Empfängen und Veranstaltungen. Václav Kopecký hörte in Ruhe zu, als mein Vater ihm von dem kanadischen Angebot erzählte, er nickte und schlug meinem Vater kumpelhaft auf die Schulter. Er sagte: Bring uns noch einmal Gold nach Hause, dann kannst du mit deiner ganzen Familie nach Kanada gehen.

Im November 1948 beendete mein Vater seine Arbeit als nationaler Ziegeleiverwalter. Wir lösten die Wohnung in Lanškroun auf und verpackten alles, was wir nach Kanada mitnehmen wollten, in Schiffskoffer. Die paar Monate bis zur geplanten Abreise lebten wir bei unseren Großeltern, wenngleich in sehr beengten Verhältnissen. Zu sechst in zwei Räumen. Irgendwie ging es, und uns Kindern hat das eigentlich nichts ausgemacht. Im Keller der Großeltern warteten die Schiffskoffer auf ihre Abreise.



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